Das zehnte Wort: Tangieren: Frei sein

Das zehnte Wort ist nicht leicht. Mal sehen, was mir dazu einfällt …

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Heute war es echt seltsam bei mir. Als ich diesen Jungen sah schien plötzlich alles anders zu sein. Meine geraden Linien waren weg. Plötzlich war da nur noch Chaos. Alles krumm und schief. Was war da geschehen. So besonders war er eigentlich gar nicht. Es war folgendermaßen abgelaufen:

Frei sein

Wir waren uns auf dem Schulflur begegnet. Er hatte mich angesehen, gelächelt und den Kopf geschüttelt. Ich fragte ihn: „Was ist los?“
Daraufhin erklärte er: „Du bist irgendwie anders. Du bist besonders. Komm, ich zeige dir eine Welt, an die du so nicht glauben würdest.“
Skeptisch betrachtete ich den Jungen. Dann fiel mir ein: „Wir haben Unterricht.“
„Sei doch nicht immer so geradlinig. Das ist ja schlimmer als bei Matheaufgaben. Riskier mal was. Du lebst nur ein mal.“ Der Junge sah mich herausfordernd an und wartete auf meine Antwort.
„Aber der Unterricht ist wichtig“, beharrte ich. Geradelinig hin oder her.
„Tz, tz. Wie du willst. Du weißt ja nicht, was du verpasst.“
Der Junge wollte sich gerade abwenden als ich fragte: „Wären wir lange weg?“
Lächenld drehte er sich wieder um. „Hier würde man es überhaupt nicht merken.“
Es war total verrückt. Ich kannte ihn überhaupt nicht. Wie sollte ich ihm da vertrauen? Aber wieso eigentlich nicht? Was hatte ich zu verlieren. Im besten Fall würde ich neue Dinge kennen lernen. Dinge, von denen ich nicht mal zu träumen gewagt hatte.
„Also schön. Bring mich hier weg“, forderte ich ihn dann also auf.
Der Junge nahm meine Hand, drückte sie und schloss seine Augen. Mit einem Nicken gab er mir zu verstehen, dass ich es ihm nachmachen sollte. Ich tat es und ließ mich fallen wie ich mich noch nie hatte fallen lassen. Es fühlte sich so vertraut und fremd zugleich an. Da lauerte Gefahr, aber ich hatte keine Angst. Da lauerte die Ungewissheit auf Möglichkeiten, aber ich probierte es trotz allem aus.
Und plötzlich verschwamm der Schulflur vor meinen Augen und ich landete in einer völlig neuen Welt. Eine Welt, wie ich sie nie gekannt hatte. Eine Welt in der alles möglich zu sein schien.
„Was wolltest du schon immer machen, hast dich aber nie getraut?“, fragte der fremde Junge mich.
„Fallschirm springen“, antwortete ich lächelnd.
Sofort hatten wir die Ausrüstung vor uns auf der herrlich grünen Wiese liegen und legten sie an. Ich konnte es einfach ohne es gelernt zu haben.
„Wir haben keine Flugzeuge“, bemerkte ich dann enttäuscht.
„Das macht nichts“, versicherte er mir. „Spring einfach.“
Und dann hüpfte ich und der Fallschirm sprang wie von selbst nach oben. Ich war in der Luft bevor ich wusste wie mir geschah und plötzlich hatte ich eine Ahnung wie frei die Vögel sich fühlen mussten. So fühlte man sich, wenn man ohne Sorgen war. Eine Weile flogen wir wie Vögel durch die Lüfte, immer höher und höher. Ich entspannte mich und genoss die Aussicht. Als wir hoch genug waren rief der Junge mir zu: „Und jetzt runter!“
Und das ging so richtig ab und machte richtig Spass. Ich schrie, weil ich es hier konnte und fühlte mich unendlich frei. Es war einfach traumhaft. Als es vorbei war und wir wieder auf dem Boden angekommen waren, war ich fast traurig.
„Ein unbeschreibliches Gefühl, oder?“, fragte der Junge und grinste übers ganze Gesicht. Ich nickte nur benommen.
„Auf jeden Fall.“ Auch ich grinste jetzt. Ich konnte gar nicht anders.
„Lust auf mehr?“, fragte er herausfordnernd.
„Was ist denn noch so möglich?“, fragte ich neugierig.
„Alles!“, antwortete er nur.
Ich dachte darüber nach. Dann erschien ein Lächeln auf meinem Gesicht. „Können wir eine Hüpfburg haben?“
Er lachte hell. „Eine Hüpfburg. Ist das dein Ernst?“
„Au ja. Bitte, bitte, bitte“, bettelte ich und setzte meinen Hundeblick auf.
„Na schön. Dann stellt dir doch einfach eine vor“, forderte er mich auf.
„So einfach geht das?“, staunte ich.
„Versuch es.“ Er deutete auf die leere Wiese und ich nickte vor mich hin.
Und plötzlich erschien eine Hüpfburg direkt vor mir. Riesig und einladend. Ich grinste noch mehr. Sofort sprang ich darauf zu und stürzte mich ins Vergnügen. Ich tobte mich aus, lachte und freute mich meines Lebens. Doch irgendwann merkte ich, dass der Junge immer noch auf der Wiese stand und nicht mitmachte.
„Komm her. Los trau dich. Wer hat mir gerade was von geradlinig erzählt? Wir sind hier frei, richtig?“, lockte ich ihn.
„Ich weiß nicht. Ich glaube das ist nichts für mich“, druckste er drum herum.
„Du weißt ja nicht, was du verpasst“, lachte ich dann und zuckte mit den Schultern. Schneller als ich gucken konnte war er bei mir, griff nach meinen Händen und hüpfte mit mir zusammen durch die Burg.
„Und?“, fragte ich als wir beide auf den Boden lagen und uns erholten.
„Unglaublich!“, bestätigte er nur lächelnd.
„Sag ich doch“, nickte ich zufrieden.
„Ich weiß, was wir als nächstes machen“, freute er sich.
„Was denn?“, fragte ich, aber bevor er antwortete saßen wir schon in einem riesigen Riesenrad. Es war dunkel und das Riesenrad beleuchtet und es drehe gemächlich vor sich hin.
„Ein Riesenrad? Ehrlich?“, fragte ich glücklich, denn auch ich liebte Riesenräder.
„Ja, die fand ich schon immer sehr romantisch. Und man kann so viel von so weit oben sehen.“
„Es ist dunkel“, lachte ich.
„Trotzdem“, meinte er hartnäckig. „Das wird übrigens unsere letzte Unternehmung für heute sein. Dann müssen wir zurück.“
„Was, schon?“, fragte ich furchtbar enttäuscht.
„Ich dachte du hast Unterricht“, neckte er mich.
„Ja schon, aber das hier ist so viel lustiger.“ Hier konnte ich mich frei fühlen von allem, was mein Leben betraf.
„Ach, und wer wollte erst nicht herkommen?“ Lachend sah er mich an.
„Ja, ja. Schon gut. Ich werde mich nie wieder beschweren.“
„Dann ist ja gut.“
Wir drehten noch ein paar Runden mit dem Riesenrad bis es verschwand und wir zurück mussten. Plötzlich war ich wieder in dem Schulhof, der Junge verabschiedete und ich musste zum Unterricht. Sich in den Alltag wieder einzufinden war gar nicht so leicht. In Gedanken war ich ständig bei dem Jungen und unseren Erlebnissen. Ich hatte nicht mal seinen Namen. Hoffentlich würde ich ihn wieder sehen. Ich wollte zurück in diese seltsame andere Welt. Zurück zum Vergnügen und frei sein. Abzweigungen zu nehmen war manchmal gar nicht so verkehrt.

Ende

Ha, das war ja doch gar nicht so schwer. Hatte ich erst mal einen Anfang gings. Was sagt ihr dazu?

4 Gedanken zu “Das zehnte Wort: Tangieren: Frei sein

Ich freu mich über jeden Zauberkommentar von euch.