Das neunte Wort habe ich noch nicht veröffentlicht, weil es der Anfang einer Geschichte ist, aber das zehnte Wort gefällt mir ganz gut.
Schlummiland
„Mein Bein tut weh“, beklagte ich mich und biss die Zähne zusammen. Und das jetzt schon seit Tagen. Ich war kein Jammerlappen, aber langsam wurde es nervig. Irgendwann musste das doch auch mal aufhören. Das konnte nicht so weiter gehen. Meine Frenudin Sanna würde wieder über mich lästern, wenn sie das mitbekam.
Auch Nils lästerte immer, wenn ich mit ihm über solche Schmerzen redete. Sie konnten es nicht verstehen. Sie waren selten krank, hatten selten Schmerzen und verstanden nicht, wie man darüber jammern konnte. Irgenwas an diesen Schmerzen irritierte mich aber auch. Irgendwas stimmte nicht. Es fühlte sich nicht nach echten Schmerzen an. Eher nach Veränderung.
Als ich Abends meine Hose auszog traf mich der Schock. Meine Beine waren blau. Aber so richtig blau. Wie bei einem Schlumpf. Was nun? Was passierte mit mir? Nach meinen Beinen wurden auch meine Arme blau. So konnte ich niemals aus der Haustür. Auch vor Sanna wollte ich mich nicht so blicken lassen. Also versteckte ich mich im Schrank. Dumm. Ich weiß, weil ich irgendwann rauskommen musste, aber ich wusste mir nicht anders zu helfen. Vielleicht hätte ich mich im Bad verstecken sollen. Da hätte ich mich einschließen können. Jetzt war es zu spät.
Und da hörte ich sie auch schon rufen: „Julius! Bist du zu Hause?“
Ich schwieg. Was sollte ich auch sonst tun?
„Julius?“, rief sie noch einmal.
Ich blieb im Schrank sitzen. Ich wollte sie jetzt nicht sehen. Nicht, wenn ich so blau war. Doch plötzlich passierte was. Die Gegend um mich herum veränderte sich. Was nun? Und plötzlich stand ich in einer blauen Welt. Einzig und allein die Blautöne unterschieden sich. So erkannte ich auch die Wesen, die hier rumliefen. Ansonsten hätten sie sich nicht unterschieden.
„Oh, ein neuer.“ Sofort wurde ich umschwärmt. „Wer bist du denn?“
„Ähm, Julius“, antwortete ich.
„Julius! Julius! Julius“, riefen sie im Chor. „Willkommen!“
„Ähm, danke?“, sagte ich. „Wo bin ich?“
„Im Schlummiland“, antwortete einer von ihnen.
Alles klar. Jetzt war ich endgültig geistesgestört. Ich hatte es ja schon immer gewusst.
„Er glaubt uns nicht, Alissa“, vermeldete eine der blauen Wesen den Stand der Dinge.
„Natürlich nicht. Das hat keiner von ihnen“, erwiederte Alissa nur.
Alissa kam zu mir und nahm meine Hand. Sie fühlte sich komisch an. Irgendwie rau. Und dann sah ich es. Die volle Wahrheit. Ich hatte schon immer ins Schlummiland gehört. Wärme breitete sich in mir aus.
„Siehst du. Geht doch“, meinte Alissa nur zufrieden. „Du gehörst zu mir und jetzt zeige ich dir unser Land.“
Und dann führte sie mich rum. Je länger wir uns bewegten wurde das Land um uns herum wieder bunt. Das Gras wurde wieder bunt, die Sonne grün, die Straßen grau usw. Doch blieben wir stehen war die Welt um uns herum wieder blau.
„Wie?“, fragte ich nur.
„Das ist Schlummiland“, erklärte Alissa nur. „Das ist immer so. Jeder Mensch kommt irgendwann hier hin.“
„Bin ich tot?“, kam es mir in den Sinn.
„Ich weiß nicht. Vielleicht kurz davor“, überlegte sie. „Du schimmerst noch manchmal hautfarben durch.“
„Aber daran erinnere ich mich nicht“, warf ich ein. „Ich bin doch nicht tot. Ich saß im Schrank.“
„Hattest du Phantomschmerzen?“, fragte sie mich und musterte mich sorgfältig.
„Ja, mag sein“, überlegte ich. Das könnten die Schmerzen in meinem Bein gewesen sein. „Und danach wurde ich blau.“
„Das war bei mir auch so“, erklärte sie. „Und ich bin jetzt schon sehr lange hier.“
„Ich kann aber nicht hierbleiben. Ich muss zurück“, meinte ich panisch.
„Glaubst du, du kannst dir deinen Tot aussuchen?“, fragte sie nur.
Vermutlich nicht. Ich seufzte. Was konnte ich tun?
„Aber du bist noch nicht ganz verloren. Wie ich bereits sagte. Du kannst kämpfen“, erklärte sie mir nun, klang dabei aber etwas traurig.
„Und wie?“, fragte ich. Zu allem bereit, was mich zurück nach Hause bringen konnte.
„Du musst an dein zu Hause denken und daran, dass du gesund werden kannst“, erklärte sie mir.
Ich hatte keine Ahnung wie ich das machen sollte. Aber Alissa gab auch keine weiteren Erklärungen ab.
Also versuchte ich ganz stark an mein zu Hause und an Sanna zu denken. An unsere Wohnung und die Inneneinrichtung. Und vor allem dachte ich daran, dass ich keine Schmerzen hatte und richtig gesund war. Ich war fitt wie ein Turnschuh und glücklich zu Hause.
Plötzlich wurde meine Haut wieder hautfarben. Ich sah wieder gesund aus und nichts tat mir mehr weh. Ich verließ das Schlummiland und wachte in meinem Bett zu Hause auf. Sanna saß auf einem Stuhl neben meinem Bett und wachte gerade auf. Als sie sah, dass ich wach war, sprang sie sofort auf und setzte sich zu mir.
„Du bist wach! Gott sei Dank. Ich dachte, du wachst nie wieder auf!“, meinte sie und klang sehr besorgt.
„Wieso bin ich nicht in einem Kranknenhaus, wenn du dir solche Sorgen um mich gemacht hast?“, fragte ich sie.
„Du wurdest am ganzen Körper blau. Der Arzt war hier. Er meinte, sowas hätte er noch nie gesehen. Aber wollte nicht, dass du ins Krankenhaus gehst. Der Arzt kam jeden Tag.“
Oh. „Wie viele Tage war ich weg?“
„Drei“, antwortete sie.
Verdammte Phantomschmerzen. Ich musste aufpassen, dass sowas nicht nochmal passierte. Das fehlte mir gerade noch. Ich wollte nicht noch mal nach Schlummiland. Mein Platz war hier. Und zwar noch ganz lange.
Ende
Was meint ihr zu meiner Schlummilandgeschichte? Kamm wieder ganz spontan. So ein kleiner Ausflug ins Jenseits.