Writing Friday: Annas Büchervilla

So, endlich ist es so weit. Noch ein Text aus dem letzten Monat vom Writing Friday

Annas Büchervilla

Anna betrat eine alte Villa am Ende der Stadt, sie wird sie jedoch nie wieder verlassen. Erzähle, was passiert ist.

Die Villa war die einzige hier in der Stadt. So luxirös war sonst kein anderes Gebäude hier. Ich selbst wohnte nicht allzu weit davon entfernt und ging jeden Morgen daran vorbei.
Am Ende der Stadt stach sie erst recht heraus. So prunkvoll und majestetisch wie sie war mit all den Erkern und Türmen. Jedes mal war ich kurz davor das Grundstück zu betreten. Auch wenn an dem großen Tor ein „Betreten verboten“ Schild hing. Nicht, dass das Anwesen so einfach zu betreten war.
Als ich an diesem Nachmittag von der Schule nach Hause ging, kam ich wieder daran vorbei. Doch diesmal stand das Tor einen Spalt weit offen. Ich traute meinen Augen nicht. Das hatte es noch nie gegeben.
Sollte ich? Nein, das konnte ich nicht tun, oder? Aber ich war einfach zu neugierig. Also betrat ich das Grundstück. Der Garten war weitläufig und überall befanden sich Blumenbeete. Es war wahrlich eine Villa.
Das Gebäude ohne Mauern davor von so nahem zu sehen war schon beeindruckend. Die Villa war komplett weiß und strahlte eine unheimliche Eleganz aus. Sie musste bewohnbar sein. So viel wusste ich.
Die nächste Frage, die ich mir stellte, war: Kam ich überhaupt rein? Was, wenn die Tür verschlossen war? Ich konnte es nur ausprobieren und so ging ich die Stufen zur Tür hinauf. Auch die Tür stand offen. Vorsichtig trat ich ein. Niemand war zu sehen. Die Villa wirkte geradezu leer. Vorsichtig traute ich mich ins innere. Auch hier wirkten die Wände weiß und die Kronleuchter leuchteten von der Decke herab. Ich traute mich nicht zu rufen. Schlafende Hunde sollte man nicht wecken. Also folgte ich weiter dem Flur. Es war eine Art Galerie. Hier gab es auch Türen. Ich begann sie zu öffnen. Im ersten Raum befand sich nichts. Nur Gerümpel und Staub. Im nächsten Raum war ein Liegestuhl, aber sonst nichts. Nein, nicht ganz. Ein Schleier lag darauf. Einsam und verlassen.
Der nächste Raum haute mich völlig um. Es war ein Raum voller Bücher. Bücher waren in jeder Ecke. Sie stapelten sich geradezu.
Und dann hörte ich die Rufe. Weibliche und männliche.
“Anna, komm zu uns. Du bist die Nächste.“
“Anna, lies uns.“
Und so begann ich die ganzen Geschichten zu lesen und verlor mich darin. Ich blieb für immer in der Villa und erlebte meine eigenen Abenteuer.
Ich spielte mit Simba und Nala aus Der König der Löwen, ich ritt mit Winnetous Pferd durch die Wildnis, ich war mit Pippi in ihrer Villa Kunterbunt. Ich besuchte Michel aus Lönneberger und ich erlebte einen Schultag in Hogwarts. Als ich älter wurde änderte sich mein Geschmack und damit auch die Geschichten. Plötzlich war ich in Highschools unterwegs, erlebte Weihnachten in New York oder lebte mit einem Prinzen in seinem Märchenschloss.
Und dann wurde ich noch mal älter und die Geschichten änderten sich wieder. So ging es weiter bis zu meinem Tod. Ich verließ die Villa theoretisch nie, aber irgendwie tat ich es doch. Duch die Geschichten. Ich führte Tagebuch von meinen Erlebnissen bis zu meinem Tod.
Aber ich starb nicht wirklich. Ich lebte durch meine Geschichten weiter und irgenjemand würde wieder in die Villa kommen und sie lesen.
Ich vergaß meine Familie und meine Freunde, die Welt da draußen. Aber das war auch nicht wichtig. Ich erlebte viel mehr als ich im richtigen Leben erleben konnte. Ich war glücklich und so würde es jeden ergehen, der nach mir kam.
Bevor ich starb verbeugten sich die Bücher vor mir und ich dankte ihnen für alles, was ich erleben durfte. Ich starb glücklich und zufrieden und nur das war wichtig.

So, das wars. Was meint ihr dazu?

7 Gedanken zu “Writing Friday: Annas Büchervilla

  1. Interessant, was du aus der Aufgabe gemacht hast. Deine Geschichte ist irgendwie zwar positiv, aber auch ein wenig traurig. Ich glaube, nur Bücher lesen, sollte nie die ganze menschliche Erfahrung ausmachen.
    Grüße, Katharina

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  2. Das hast du sehr schön geschrieben. Klar ist es ein bisschen traurig, dass man nur in den Geschichten lebt, aber irgendwie auch schön. Man hat irgendwie seinen Frieden und immer schöne Geschichten.

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Ich freu mich über jeden Zauberkommentar von euch.