Und hier kommt ein neuer Teil von der Nacht.
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Die Welt bei Nacht Teil 9
Luisa
Nach dem Frühstück ließ Norina uns alleine und Niklas führte mich in die Bibliothek. Sie war riesig und als Bücherwurm liebte ich sie sofort. Für mich war das der einzig helle Ort in dieser dunklen Nacht.
„Liest du gerne?“, fragte er neugierig während er mich in eine gemütliche Ecke führte. Wir setzten uns in die Sessel. Es schien fast als könnte ich die Bücher flüstern hören.
„Ich lese für mein Leben gerne“, antwortete ich.
„Dann haben wir was gemeinsam“, stellte er fest. „Ich habe schon immer gerne gelesen.“
„Du wolltest mir alles erzählen“, erinnerte ich ihn.
„Richtig. Das wollte ich. Alles, was ich weiß“ Er seufzte kurz und sammelte sich dann. Ihm schien eine Erinnerung eingefallen zu sein. „Als ich hierherkam war ich auch erst verwirrt. Mich hat keiner angeleitet. Ich habe jeden Tag in der Bibliothek verbracht und den ganzen Tag gelesen. Schlauer wurde ich trotzdem nicht. Schließlich erkundete ich ein wenig die Gegend. So entdeckte ich den Ort. Dort traf ich auf einen alten Mann. Er wirkte älter als die Zeit selbst. Er sah mich und bat mich in sein Haus. Dort erklärte er mir alles. Er erklärte mir, dass ich nun der Prinz der Dunkelheit sei. Ich hatte keine Ahnung, was das bedeuten sollte. So wirklich weiß ich das immer noch nicht. Er sagte mir ich sei hier, weil ich in meiner Welt gestorben sei. Doch so richtig tot war ich eigentlich nicht. Das sagte ich ihm auch. Er bestätigte es, aber erklärte es würde noch dauern bis ich in meine Welt zurückkonnte. Und selbst dann konnte ich nicht für immer bleiben. Ich brauchte ziemlich lange um das zu verstehen. Nun ging ich jeden Tag zu dem Mann und wir unterhielten uns stundenlang. Irgendwann konnte ich halbwegs akzeptieren wie mein Leben jetzt aussah. Ich gewöhnte mich daran.“ Er machte wieder eine Pause und sah mich direkt an. „Wir sind Nachtkinder. Wir kommen nicht direkt nach unseren Tod hierher, aber die Menschen sehen es so. Es gibt nur wenige bei denen es anders ist.“
„Norina“, murmelte ich.
„Ja“, betätigte er.
„Aber du hast gesagt ich kann zurück. Wenn ich mich erinnere, was passiert ist“, sagte ich dann.
„Weil du in der Zeit geboren bist. Du bist jünger als ich. „Ich kann dir ein Leben erst dann wieder ermöglichen, wenn du dich erinnerst. Ich dagegen kann nie mehr zurück.“
Ich konnte nicht erkennen ob er das bereute oder nicht.
„Und wie kann ich mich erinenrn?“, fragte ich.
„Da gibt es mehere Fatkoren. Mit Hilfe von Magie der manchmal reicht auch nur ein Traum aus. Vielleicht sollten wir erstmal schauen woran du dich erinnerst.“
„Okay. Das klingt gut. Jetzt waren wir auf dem richtigen Weg. Keine Ahnung. Als ich hier auftauchte war Neujahr. So viel weiß ich. Ich weiß nicht mal wirklich, was ich an Silvester gemacht habe. Ich glaube ich war alleine, aber wieso war ich dann in einem Auto? Am Tag davor war ich mit meiner besten Freundin unterwegs.
Wir wollten eigentlich Silvester zuammen verbringen, aber ihr ist etwas dazwischen gekommen. Ich weiß nicht mehr was.
Und das frustierte mich noch mehr. Das konnte doch nicht sein. Ich musste mich doch erinnern.
„Okay. Das ist doch schon was. Vielleicht ist deine Freundin von Bedeutung, weil du dich an sie erinnerst. Das ist mehr als zu ewarten war. Daran können wir arbeiten, denke ich.“ Niklas wirkte im Gegensatz zu mir zufrieden.
„Es ist viel zu wenig“, beschwerte ich mich.
„Nein, es ist gut“, wiedersprach er. „Das Gehirn ist eine komplexe Sache. Ich hatte nicht erwartet, dass du dich sofort an alles erinnerst.“
„Was meinst du denn wie lange das dauern wird?“, wollte ich von ihm wissen. Ich wollte nach Hause.
„Das weiß ich nicht“, gab er zu. „Das kommt drauf an wie komplex deine Erinnerungen noch in deinem Gehirn sind.
„Wir versuchen es erstmal so. Wenn das nichts bringt nehmen wir uns die anderen Methoden vor.“
„Und wenn das auch nichts bringt? Wie willst du denn mein Gedächtnis anregen?“
Es war nicht seine Schuld, dass ich hier war. Das sagte ich mir immer wieder. Ihn hatte es viel schlechter getroffen. Er konnte gar nicht mehr von hier weg. Nicht wirklich.
„Vielleicht sollten wir spazieren gehen und uns unterhalten. Manchmal hilft das schon“, schlug er vor.
Ich blieb skeptisch. „Aber hier ist es dunkel. Da finde ich wohl kaum Inspiration.“
„Die dunkle Welt hat mehr zu bieten als du glaubst“, erwiederte er ruhig.
„Na gut. Versuchen wir es“, gab ich schließlich nach. Was blieb mir auch anderes übrig?
Als wir draußen waren musste ich feststellen, dass er recht hatte. Die Luft tat mir gut und ich atmete tief ein. Wir gingen ein wenig durch den Schlossgarten. Viele der Blumen leuchteten. Der Mond schien ebenfalls am Himmel.
Niklas konnte meinen Blick vermutlich nicht richtig sehen, aber er hatte meine Reaktion gemerkt und grinste deswegen.
„Die Monde hier sind so eine Sache. Sie sind nicht wie in eurer Welt“, erklärte er.
„Habe ich bemerkt“, staunte ich. Den Blick hatte ich immer noch auf den Mond gerichtet, der da doppelt am Himmel schien.
„Also, wie war dein Leben?“, fragte er geradeheraus.
„Ach, nichts ungewöhnliches“, winkte ich ab. Endlich wand ich meinen Blick von dem seltsamen Mond ab und sah Niklas an. Sein Gesicht leuchtete im Schein der Blumen und des Mondes. „Ich habe eben gelebt. Ich bin in die Schule gegangen, ins Kino und so. Was man eben so macht.“
„Und du hattest eine Familie“, ergänzte er und klang dabei irgendwie traurig.
„Ja“, bestätigte ich. „Nachdem mein Bruder gestor …“ So konnte ich das nicht machen. Wenn ich meinem Bruder glauben konnte saß er gerade neben mir. „Nachdem wir dachten du seist tot hat Mama ihr bestes gegeben um mir ein gutes Leben zu bieten. Und das hatte ich. Das hatte ich wirklich.“
Er schwieg daraufhin eine ganze Weile. Mir wurde langsam unbehaglich zu Mute.
„Tut mir leid“, sagte ich schließlich.
„Welche Filme magst du am liebsten?“, ohne auf meine Entshuldigung zu reagieren.
„Harry Potter, Liebe braucht keine Ferien, Ziemlich beste Freunde“ zählte ich auf. „Kennst du sie?“
Er schüttelte mit dem Kopf. „Ich war nur ganz selten im Kino. Nur manchmal, wenn ich ganz viel Sehnsucht nach dem richtigen Leben hatte.“
Natürlich. Ich blöde Kuh. Was hatte ich denn bitte erwartet? Ich unterdrückte ein erneutes „Tut mir leid.“
Er schien mein Unwohlsein zu bemerken, denn er kapierte sofort. „Ich bin nicht der Meckertyp. Ich nehme es wie es kommt. Und diese Welt ist einfach unglaublich. Sie hat so viel zu bieten. Ich war noch jung als ich hierherkam. Ich war länger hier als in der anderen Welt. Hier ist mein zu Hause, aber …“
„Aber irgendwie vermisst du das andere Leben trotzdem“, führte ich seinen Satz fort. „Das ist okay. Ich kann dich verstehen. Mir würde es nicht anders gehen.“
„Ja, vielleicht hast du Recht“, meinte sie zustimmend.
„Du scheinst ein gutes Leben gehabt zu haben“, stellte er fest.
„Ja, und ich will es zurückhaben“, sagte ich.
„Das kann ich verstehen.“
Und dann wirkte er irgendwie traurig. Verständlicher Weise. Ich genoss unser Gespräch sogar. Ich fing an Niklas zu mögen. Leider brachte unser Ausflug nicht die gewünschte Erinnerung zurück. Vielleicht strengte ich mich nicht genug an oder ich ging es falsch an. Jedenfalls hatte ich keinen Erfolg. Was war mit mir passiert? Ich gehörte nicht hierher. So viel wusste ich.
Fortsetzung folgt …
Dann wird ihr bestimmt alles noch einfallen, wenn sie nicht dorthin gehört.
Das muss schlimm sein, wenn man so wichtiges vergisst – mich nerven schon Kleinigkeiten, die ich vergessen habe.
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ja, stimmt. Vergessen find ich auch ganz schlimm. Vor allem, wenn man sich dann versucht sich daran zu erinnern.
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oh, das macht einen verrückt.
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ja, mich auch.
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